Zwei Vorzeigebetriebe im Porträt | HANDWERK IN BERLIN 2023 - 4Nachhaltigkeit als Teil der Handwerks-DNA
Für das Handwerk ist nachhaltiges Handeln nicht bloß ein Trend, sondern seit Jahrhunderten Teil der eigenen Identität. Handwerker*innen reparieren, sanieren und erhalten und nehmen somit eine Schlüsselrolle bei der Ressourcenschonung und in der Kreislaufwirtschaft ein. Für die zwei Berliner Handwerksunternehmen Klara Grün (Gebäudereinigung) und Florida Eis (Speiseeishersteller) ist Nachhaltigkeit gar die Grundlage jeder betrieblichen Entscheidung. Wir haben beide besucht und gefragt, wie sich Wachstum und Nachhaltigkeit im Handwerk vereinen lassen.
Soda, Natron und Zitronensäure
Start-up Klara Grün will in der Reinigungsbranche neue Maßstäbe setzen
Ein Großraumbüro, mit der Einrichtung eines Start-ups: Bunt gestaltete Wände, ein großer Tisch für Besprechungen und der Bürohund schläft in der Ecke. Chefin Julia Seeliger empfängt hier herzlich. Sie ist die Gründerin von Klara Grün, einem Reinigungsunternehmen, das das Ziel verfolgt, die treibende Kraft für Nachhaltigkeit und soziales Engagement in der Branche zu sein.
Die Geschichte des Unternehmens beginnt vor vier Jahren, als Julia Seeliger und ihre Arbeitskollegin Luise Zaluski für ihre jeweiligen Privathaushalte eine Reinigungskraft suchen. „Wir haben schnell gemerkt, wie schwierig es ist, eine Reinigungskraft zu finden, die legal auf 450-Euro-Basis beschäftigt werden will“, erzählt die 40-jährige Seeliger. Für viele Geringverdienende lohne sich das nicht, weil ihnen vom zusätzlichen Verdienst nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben oder der Verrechnung mit Sozialleistungen kaum etwas bleibt.
Während der Recherche über die Bedingungen in der Reinigungsbranche entstand damals bei den beiden Frauen der Wunsch, es anders zu machen und ein eigenes Reinigungsunternehmen zu gründen, bei dem die Beschäftigten übertariflich entlohnt werden, es familienfreundlichere Arbeitszeiten gibt und die Reinigungsmittel nicht gesundheitsschädlich sind.
„Einfach mal ausprobiert“
Die Kolleginnen verließen ihren damaligen Arbeitgeber und gründeten das Unternehmen Klara Grün. „Wir haben einfach mal gemacht und ausprobiert“, erzählt Seeliger, die gelernte Diplom-Kommunikationswirtin ist. Die Frauen entwickelten Reinigungsmittel auf Basis von Soda, Natron und Zitronensäure und gingen damit zunächst zu zweit reinigen. Die ersten Kunden waren Privathaushalte, kleinere Cafés oder Naturheilpraxen.
Mit ihrem neuen Ansatz überzeugten sie. Das Unternehmen wuchs stetig. Klara Grün beschäftigt mittlerweile 60 Mitarbeitende, arbeitet für mehrere Großkunden und produziert die ökologischen Reinigungsmittel in den Kellerräumen des Treptower Büros. Abgefüllt werden sie nach Möglichkeit in recycelten und wiederauffüllbaren Behältern. Mitarbeitende, die früher in anderen Betrieben gearbeitet haben und Hautprobleme durch die dort verwendeten Reinigungsmittel entwickelt hatten, können mittlerweile die Handschuhe beim Reinigen weglassen.
Die Kunden sind bereit, für ehrliche und ökologisch wertvolle Arbeit mehr zu bezahlen. Damit kann Klara Grün das Versprechen der überbetrieblichen Bezahlung einlösen: Ungelernte Kräfte – diese bilden in der Reinigungsbranche die Mehrheit – erhalten bei Klara Grün einen Einstiegslohn von 14 Euro in der Stunde, der Branchenmindestlohn liegt bei 13 Euro.
Unternehmerin des Jahres
Künftig will der Betrieb auch ausbilden. „Ich habe das Handwerk selbst nicht gelernt, und habe auch deshalb größten Respekt davor“, sagt Seeliger. „Wir wollen nicht nur nachhaltig arbeiten, sondern auch konsequent in diesem Sinne ausbilden“, sagt Seeliger, die nach dem Rückzug von Zaluski heute alleinige Geschäftsführerin des Unternehmens ist.
Unterstützung habe ihr Team immer wieder von der Handwerkskammer Berlin erhalten – „auch wenn wir auf den ersten Blick vielleicht verrückte Ideen hatten und nicht wie der klassische Handwerksbetrieb daher kamen“, sagt Seeliger. Die Unterstützung durch die Betriebsberatung der Kammer sei hilfreich gewesen, um das Unternehmen sowohl finanziell stabil aufzubauen, als auch, um es bekannter zu machen.
Heute freut sich Seeliger, dass sie auch etwas zurückgeben kann. Gerade jungen Frauen im Handwerk rät sie, den Mut zu haben, auch ungewöhnliche Ideen und Visionen zu verfolgen. „Bei uns war der Weg auch nicht vorgezeichnet und wir haben es trotzdem geschafft“, sagt Seeliger, die erst 2023 als Berliner Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Ihr Mut hat sich in jedem Fall ausgezahlt.
Vom Permafrostboden bis zur PV-Anlage
Eismanufaktur Florida Eis kämpft konsequent für den Klimaschutz
Es scheint oft, als sei Olaf Höhn in erster Linie Erfinder und erst in zweiter Linie der Geschäftsführer eines Speiseeisherstellers. Die Ideen des 74-Jährigen zur nachhaltigen Ausrichtung seines Unternehmens sind nicht nur spektakulär, sondern zeigen auch große Erfolge in der Umsetzung. Florida Eis ist heute mittelständischer Vorreiter in puncto CO2 -neutraler Produktion.
Wenn man die Hallen von Florida Eis in Spandau betritt, strömt sofort ein süßer Geruch in die Nase. Mitarbeitende hacken Schokolade zu Splittern, kochen Fruchtsoßen, rühren die Eismasse an und füllen die Süßspeise am Ende in die Becher mit den blauen Deckeln. Alles geschieht hier per Hand – ganz traditionell.
100 Prozent recycelt
Doch auf der anderen Seite, merkt man gleichzeitig, wie innovativ der Arbeitsplatz ist. Die Eisbecher etwa bestehen aus Bambus und sind damit komplett kompostierbar. Dort, wo das Eis gelagert wird, läuft man auf einer Art Permafrostboden. Der im Boden verarbeitete Glasschaumschotter ist ein zu 100 Prozent recyceltes Produkt aus Altglas. In der Tiefkühlzelle macht er die notwendige Bodenbeheizung unnötig und erlaubt große Energieeinsparungen.
Ein Stockwerk höher zeigt Geschäftsführer Olaf Höhn auf eine große Anlage: „Vom Handwaschbecken bis zur Dusche, von der Fußbodenheizung bis zur Warmluftheizung nutzen wir die Rückgewinnung aus dem Kreislaufsystem der Kältemittel mithilfe von Plattenkühlern.“
Das Eis selbst wird mit elektrisch angetriebenen Lkw und sogar mit E-Bikes zum Kunden gefahren. Der Strom dafür wird aus der eigenen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Produktionshallen gewonnen.
Nachhaltigkeit zahlt sich aus
Höhn sieht es als eine Verpflichtung für den Mittelstand, nicht nur Fachwissen weiterzugeben, sondern auch die Nachhaltigkeit zu stärken. Seit Jahren arbeitet er daran, dass seine Eisproduktion nicht nur CO2 -neutral, sondern ganz CO2 -frei, also ohne Kompensationen, funktioniert. Er wolle für die nachfolgenden Generationen sein Möglichstes tun, um seinen Beitrag für eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten, sagt Höhn. „Ich mache das für meinen Sohn und meinen Enkel.“ Im Übrigen gebe es keine bessere Zeit als jetzt für solche Projekte. Wer sich nachhaltig aufstelle, könne große Fördersummen beantragen.
Die starke Unternehmerpersönlichkeit von Olaf Höhn entstand, nachdem er, der eigentlich gelernter Maschinenbauer ist, 1984 ein Eiscafé in der Spandauer Innenstadt übernahm. Das Café, das er Florida Eiscafé taufte, lief gut. Irgendwann fragte ein Lebensmitteleinzelhändler an, ob er das Eis in sein Sortiment aufnehmen könne. Dadurch wuchs das Geschäft stark an. 2009 wurden in Spandau sieben Kunden von Florida Eis beliefert. Daraus wurden bald 150 und heute sind es fast 2000, die berlin- und deutschlandweit beliefert werden.
Mut zur Veränderung
Die Florida-Eis Manufaktur GmbH beschäftigt mittlerweile fast 200 Mitarbeitende und machte 2023 einen Umsatz von 12 Millionen Euro, im nächsten Jahr peilt Höhn sogar die 20-Millionen-Marke an. „Alles was übrig bleibt, investiere ich in Forschung und Entwicklung“, sagt er.
Denn die Ideen gehen dem 74-jährigen Unternehmer auch weiterhin nicht aus. In Sachsen-Anhalt soll bald der Bau einer neuen Eisfabrik starten. Diese soll möglichst energieautark betrieben werden. Geplant sind Solarmodule auf dem Fabrikdach sowie Energiespeicher für den gewonnenen Strom. Mit der Abwärme vom Nachbarn, will Höhn künftig ein Tropenhaus erwärmen und dort Vanillepflanzen für die Eisproduktion anbauen. „Jetzt haben wir die Chance, etwas zu verändern“, sagt Höhn, „und da will ich meinen Beitrag leisten.“
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