Bestattungen, die das Leben feiern | HANDWERK IN BERLIN 2024 - 4Ab unter die Erde
Ein buntes Bällebad im Sarg, eine Biker-Trauerfeier oder eine Vinyl-Schallplatte, gepresst aus der Asche einer verstorbenen Person: Das Unternehmen „Ab unter die Erde“ hat sich auf die Ausrichtung unkonventioneller Bestattungen und Trauerfeiern verlegt.
Unkonventionell ist auch die Gründungsgeschichte des Bestattungsunternehmens, das in der Pankower Florapromenade seinen Sitz hat. Im Jahr 2020 entwickelten Maria Kauffmann und Robert Freitag, die bereits ein anderes Unternehmen zusammen leiten, gemeinsam mit sechs internationalen Studierenden innerhalb von wenigen Wochen das Konzept für „Ab unter die Erde“. „Eigentlich wollten wir damit nur beweisen, dass es in kurzer Zeit möglich ist, ein Unternehmen mit Laien zu gründen.“ Die Idee, eine etwas andere Bestattungsfirma zu schaffen, die verstärkt auf die Hobbies und Leidenschaften der Verstorbenen eingeht, hatte sich bei Maria Kauffmann aber bereits einige Jahre zuvor verfestigt, als sie ihren Vater verlor. Damals setzte ihre Familie auf Wunsch des Vaters auf einen alternativen Bestatter.
Ich finde, im christlichen Abendland sollten wir generell darüber nachdenken, warum Bestattungen so traurig sein müssen, wenn wir doch davon ausgehen, dass es nach dem Tod weitergeht.
„Die Bestattung war schön und hätte ihm gefallen, aber ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass ich es für mich anders haben möchte“, sagt Kauffmann. Ein weiterer Trauerfall in der Familie gab dann den Ausschlag. Der Verstorbene habe oft den Wunsch geäußert, bei seiner Bestattung solle auf seinem Grab getanzt werden. Was auch umgesetzt wurde, doch auch hier fehlte Kauffmann die persönliche – und vor allem die fröhliche Note, die im Sinne des Verstorbenen gewesen wäre. „Ich finde, im christlichen Abendland sollten wir generell darüber nachdenken, warum Bestattungen so traurig sein müssen, wenn wir doch davon ausgehen, dass es nach dem Tod weitergeht.“ Mit der Idee, ein eigenes Bestattungsinstitut zu gründen, kam ihr bereits der heutige Name „Ab unter die Erde“ in den Sinn. Ihre Vision war klar: „Draußen soll unser Name in bunter Leuchtschrift stehen und wenn man reinkommt, ist man in einer anderen Welt.“ Und tatsächlich sehen die Geschäftsräume unweit der belebten Florastraße anders aus, als man sie von einem Bestattungsunternehmen erwarten würde. So reihen sich auf einem mit den Firmeninitialen verzierten Holzsarg Totenkopf-Deko an Trockenblumensträuße und Schallplatten an Grünpflanzen.
Individuellere Bestattungen sind gefragt
Die Nachfrage nach individuelleren Bestattungen und Trauerfeiern wächst. Dennoch lief ihr Geschäft im ersten Jahr zunächst langsam an, erzählt das Gründer-Duo, das Bestattungen in ganz Deutschland durchführt. „Unsere erste Bestattung hatten wir im Jahr 2021“, sagt Kauffmann, also Monate nach der Gründung. Corona-Restriktionen hätten die Planung von Trauerfeiern zunächst erschwert. Aber auch aus der Bestatter-Szene kam Gegenwind, niemand brauche einen „Party-Bestatter“, so die Kritik. Mittlerweile hat sich „Ab unter die Erde“ aber etabliert. „Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem wir merken, dass es Leute gibt, die sich bewusst für uns entschieden haben oder durch Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam geworden sind“. Und Robert Freitag ergänzt: „Man braucht definitiv einen langen Atem, aber den haben wir auch“. Aktuell besteht ihr Team aus einer weiteren festen Mitarbeiterin und zahlreichen freien Mitarbeitenden. Zudem bilden sie Partner in anderen Teilen Deutschlands aus, um in anderen Regionen noch aktiver sein zu können. Voraussetzung für neue Mitarbeitende: „Ein Lächeln im Gesicht und Offenheit gegenüber Menschen, gerade auch gegenüber trauernden Menschen. Ich glaube, dass ein Lächeln immer hilft“, so Kauffmann.
Ein Lächeln im Gesicht und Offenheit gegenüber Menschen, gerade auch gegenüber trauernden Menschen. Ich glaube, dass ein Lächeln immer hilft.
Mit ihrem Angebot wollen sie noch weitergehen als andere alternative Bestatter. „Wir wollen vor allem einen warmen Raum für Menschen schaffen und als echte Begleiter fungieren. Ich denke, es macht viel aus, ob ich einen tröstenden Abschiedsprozess habe oder einen traurigen und trostlosen“, so Kauffmann. Wichtig sei ihr auch Transparenz, den Angehörigen jeden einzelnen Schritt zu erklären. „Wenn du Abläufe gut und klar kommunizierst, dann können die Leute damit auch gut umgehen.“
Katja Reichgardt