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Berliner Ausbildungsbilanz 2020/2021

Pressemitteilung der Handwerkskammer Berlin vom 28. Oktober 2021


Infolge der anhaltenden Corona-Pandemie war die Situation im Berufsberatungsjahr 2020/21 erneut schwieriger als in früheren Jahren. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beeinträchtigten die Vermittlungen in Ausbildung und die Beratung von jungen Leuten.     

Messen und Veranstaltungen, die normalerweise mit Publikumsverkehr stattfinden, wurden digital durchgeführt. Auch der Kontakt zwischen denen, die sich für eine Ausbildung interessierten, und den Berufsberaterinnen und -beratern in den Standorten der Jugendberufsagentur Berlin fand überwiegend per Telefon und digital statt. Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung führten dazu, dass Unternehmen in besonders betroffenen Bereichen ihr Engagement in der Ausbildung überdachten. Alle Beteiligten am Ausbildungsmarkt – der Berliner Senat, die Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie die Verbände, Kammern und Gewerkschaften - haben gerade angesichts dieser Herausforderungen viele Anstrengungen unternommen, um möglichst viele Bewerber und Ausbildungsbetriebe zusammenzubringen.

Von Anfang Oktober 2020 bis Ende September 2021 meldeten sich in Berlin insgesamt 20.788 Jugendliche bei der Berufsberatung der Agenturen für Arbeit, um bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz Unterstützung zu erhalten. Das waren 556 junge Bewerber mehr als im letzten Jahr. Die Zahl der beim Arbeitgeberservice der Arbeitsagenturen gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen verringerte sich um 792 auf 13.317. Ende September waren 3.394 Bewerber unversorgt, 39 mehr als vor einem Jahr. 1.112 Berufsausbildungsstellen waren noch unbesetzt. Das waren 514 weniger als im September 2020.

Elke Breitenbach, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales: „Das Land Berlin hat sein Engagement für Ausbildung in den beiden Corona-Jahren noch einmal deutlich ausgebaut, finanziell und strukturell. Ich erwähne als Beispiele die Einrichtung der Sofortmaßnahme Ausbildungshotel an zwei Standorten, die Pop-up-Prüfungsvorbereitungen, die Aufstockung des Berliner Ausbildungsplatzprogramms auf insgesamt 1.000 Plätze, die Kostenübernahme bei der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung und die Umstellung auf digitale Angebote zum Beispiel von #seidual. Dabei haben wir mit anderen Arbeitsmarkt-Akteuren gemeinsam agiert. Unser Ziel war und ist es, das vorzeitige Beenden von Ausbildungen zu verhindern und erfolgreiche Abschlüsse zu ermöglichen. Dabei bleiben die Ausbildungsplätze das A und O. Doch leider ist das Ausbildungsengagement der Berlin Betriebe weiter gesunken und wie Vergleichszahlen zeigen: weit unter den Bundesdurchschnitt. Das muss sich ändern!“

Dr. Ramona Schröder, Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit: „Ausbilden sichert Zukunft! Ich wünsche zuallererst den jungen Leuten, die jetzt eine Ausbildung begonnen haben und ihren Ausbildungsbetrieben viel Erfolg auf dem gemeinsamen Weg. Es ist nicht immer leicht den passenden Beruf zu finden. Aber hier stehen die Berufsberaterinnen und Berufsberater der Arbeitsagenturen und Jobcenter mit Rat und Unterstützung zur Seite. Corona hat die Bedeutung ihrer Arbeit noch einmal sehr deutlich gemacht. Zahlreiche noch nicht versorgte Bewerber und freie Ausbildungsstellen zeigen, dass es weiterhin der gemeinsamen Anstrengung aller Partner auf dem Ausbildungsmarkt bedarf, um zielgerichtet junge Leute und Unternehmen zusammenzubringen. Klar ist: Wer ausbildet, der sichert sich seinen eigenen Fachkräftebedarf für die Zukunft.“

Daniel-Jan Girl, Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin: „Bereits jetzt spüren viele Berliner den Fachkräftemangel: Gastronomiebetriebe müssen vermehrt Schließtage einführen, Industriebetriebe können ihre Produktionskapazitäten nicht auslasten. Ganze Branchen stehen vor „englischen Verhältnissen“, wenn wir nicht bald gegensteuern. Für eine zukunftsfähige Stadt müssen wir verhindern, dass Berlin in 2035 rund 314.000 beruflich qualifizierte Fachkräfte fehlen. Derzeit sind 7.700 offene Stellen auf ausbildung.berlin veröffentlicht und warten auf die 3.400 noch suchenden Ausbildungsbewerber. Die bestehende Ausbildungskampagne muss fortgesetzt und erweitert werden. Berlin braucht eine Schulbildung, die Schüler auf die Herausforderungen des Berufslebens vorbereitet sowie eine systematische Berufsorientierung. Daher fordern wir bereits, dass das Schulfach Wirtschaft-Arbeit-Technik (WAT) in den für die Ausbildung entscheidenden 9. und 10. Klassen verpflichtend unterrichtet wird und die Einstiegshürden in die Ausbildung für klein- und mittelständische Unternehmen gesenkt werden. Wir müssen eine größere Vielfalt an Nachwuchstalenten und Unternehmen für die Ausbildung erreichen. Dabei sollte im Fokus stehen: Gemeinsame Gestaltungskraft und Vertrauen in die Wirtschaft statt staatlicher Lenkung und Abgaben! Mit Talente Check Berlin, der Metasuchmaschine ausbildung.berlin und der Kampagne zur Ausbildung ist dies bereits gelungen. Wenn wir die Stadt der Chancen und Ideen sein wollen, müssen wir jetzt gemeinsam die Grundlagen schaffen und Berlin endlich eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Bildung ermöglichen.“

Alexander Schirp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB): „Die Pandemie hat ausbildungswillige Unternehmen ebenso wie die jungen Menschen stark verunsichert. Offenbar ist es wegen der Corona-Beschränkungen auch im zweiten Jahr der Pandemie nicht ausreichend gelungen, Betriebe, Bewerberinnen und Bewerber zusammenzubringen. Dabei setzen die meisten Firmen weiterhin auf die Ausbildung. Sie suchen händeringend nach talentiertem Nachwuchs, werden aber oft nicht fündig. Von den Qualitätsproblemen an vielen Berliner Schulen ist dieses Thema nicht zu trennen. Es bleibt deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung in der Hauptstadt, den jungen Menschen endlich das nötige Rüstzeug für ein aussichtsreiches Berufsleben mit auf den Weg zu geben. Dazu gehören auch eine bessere Berufsorientierung und die gezielte Förderung benachteiligter junger Menschen. Zudem muss endlich klar werden, dass der Ausbildungsmarkt nicht an der Grenze zu Brandenburg endet. Dort fehlen Bewerberinnen und Bewerber an allen Ecken und Enden. Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte sollten unbedingt die Angebote der Unternehmen in den Blick nehmen. Zwingend notwendig dazu ist natürlich mehr Unterstützung der jungen Menschen in Sachen Mobilität und Wohnen.“

Ulrich Wiegand, Geschäftsführer der Handwerkskammer Berlin: „Die Ausbildungsbereitschaft der Berliner Handwerksbetriebe ist weiterhin hoch. Gegenüber dem Vorjahr wurden deutlich mehr Ausbildungsverträge
abgeschlossen. Die Betriebe des Berliner Handwerks suchen auch weiterhin dringend nach Jugendlichen, die Interesse haben, eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen. Unsere Lehrstellenbörse verzeichnet aktuell noch über 600 offene Lehrstellen für das gerade begonnene Ausbildungsjahr. Meine Botschaft an die jungen Menschen: Lassen Sie sich beraten und entscheiden Sie sich heute für eine duale Ausbildung“, so Ulrich Wiegand, Geschäftsführer der Handwerkammer Berlin. „Die Handwerkskammer steht ihnen gerne zu Verfügung. Info: vermittlung@hwk-berlin.de

Christian Hoßbach, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg: „Im Mittelpunkt unserer gemeinsamen Anstrengungen muss die Schaffung von ausreichend betrieblichen Ausbildungsplätzen stehen. Davon gibt es gemessen an den Bewerberinnen und Bewerbern zu wenige, das ist alarmierend. Die Zahl unversorgter Bewerberinnen und Bewerber, darunter zu viele Langzeit-Unversorgte, muss deutlich sinken. Das duale System der Bundesrepublik ist unschlagbar, wenn es um die Entwicklung von eigenen Nachwuchsfachkräften für die Wirtschaft geht. Der neue Senat muss eine Lösung finden, wie
Ausbildungskosten gerecht auf alle Betriebe verteilt werden können, die von der dualen Ausbildung profitieren. Wer hier auf billigere Lösungen setzt, spart an der falschen Stelle. Und wer als junger Mensch dauerhaft prekäre Jobs annimmt und ohne Ausbildung arbeitet, setzt aufs falsche Pferd. Denn der Weg zu beruflicher Entwicklung ist damit versperrt.“