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Handwerkskammer Berlin

Stellungnahme der Handwerkskammer Berlin zum aktuellen Entwurf des geplanten Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG) - Stand November 2019

Pressemitteilung der Handwerkskammer Berlin vom 10. Dezember 2019

Als Vertretung des Berliner Handwerks mit rund 31.000 Betrieben und über 180.000 Mitarbeitern/-innen sowie Auszubildenden sind wir uns der Problematik durch die rasante Mietpreisentwicklung und das immer knapper werdende Wohnungsangebot innerhalb Berlins sehr bewusst. Auch wir halten eine Lösung für dringend erforderlich.

Unsere Gremien werden durch die Handwerksordnung sowohl durch Arbeitnehmer/-innen als auch durch Arbeitgeber/-innen getragen, die sowohl als Mieter/-innen oder ggf. als Wohnungseigentümer/-innen oder Vermieter/-innen von steigenden Mieten und politischen Maßnahmen zu deren Eindämmung betroffen sind.

Im Folgenden soll es jedoch auch weiterhin ausschließlich um die Bewertung und Positionsbestimmung aus Sicht der unmittelbar betroffenen Betriebe des Bau- und Ausbaugewerbes gehen.

Handwerksbetriebe jetzt schon betroffen!

Mehr als die Hälfte der Berliner Handwerksbetriebe sind in den Bereichen Bau- und Ausbau tätig. Insofern ist die Entwicklung von Auftragslage und Beschäftigung in diesem Bereich von erheblicher Bedeutung für die Lage des Gesamthandwerks in Berlin.

Gerade aus diesem boomenden Wirtschaftszweig erreichten uns bereits bis zum ersten Gesetzentwurf vom 30.08.2019 zahlreiche Hinweise auf bereits erfolgte und angekündigte Auftragsstornierungen mit einem Wert in mindestens zweistelliger Millionenhöhe. Dieser Trend hat sich zwischenzeitlich weiter und deutlich verstärkt.
Unisono wird berichtet, dass zahlreiche Wohnungsunternehmen bzw. Bauträger ihre Bauvorhaben bereits abgesagt oder verschoben haben. Nahezu alle betroffenen Betriebe rechnen mit einem Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent.

Aus Sicht der betroffenen Betriebe geht die Deckelung bzw. Absenkung von Mieten auf Werte, die sich unter den Werten des aktuellen Mietspiegels in Berlin befinden, weit über das Ziel der Vermeidung sozialer Härten hinaus. Sie schaffen erhebliche, vermeidbare Negativwirkungen für das Berliner Handwerk und den Wirtschaftsstandort Berlin insgesamt. Der Mietendeckel trifft nicht nur die Großinvestoren/-innen, sondern auch speziell die bauausführenden kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe.

Bau- und Ausbauhandwerk wird die Grundlage entzogen!

Absehbar werden künftig nur noch die notwendigsten Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. Insbesondere an besonders aufwändigen und daher kostenintensiven Erhaltungsarbeiten, beispielsweise traditionellen Stuck-, Spachtel-, Parkett- oder Terrazzoarbeiten, die der Denkmalschutz oftmals fordert, wird aller Voraussicht nach gespart werden.

Denkmalschutz wird unattraktiv. Betrieben, die sich dem Erhalt traditioneller Handwerkstechniken und der Denkmalpflege verschrieben haben, wird die Existenzgrundlage entzogen.

Kein Mietendeckel in Fällen ohne Handlungsbedarf!

Obwohl der neue Gesetzentwurf vom November 2019 mittlerweile Wohnlage (WL) und Ausstattung ansatzweise berücksichtigt, sind die vorgesehenen Auf- und Abschläge für Wohnlage (0,28 € Abzug für einfache WL, 0,09 € Abzug für mittlere WL und 0,74 € Aufschlag bei guter WL pro Quadratmeter) und Ausstattung (1 € pro Quadratmeter, sofern drei von fünf Ausstattungsmerkmale erfüllt sind) in der Summe so bemessen, dass ausbleibende Investitionen in Mietwohnungen absehbar sind, Ein Mietendeckel, der die Wohnlage und die tatsächliche Ausstattung weitgehend unberücksichtigt lässt, schafft Probleme auch in Fällen, wo kein sozialer Handlungsdruck besteht.

Auch mit den Neuregelungen zu Auf- und Abschlägen für Wohnlage und Ausstattung werden insbesondere Top-Verdiener in 1-A-Wohnlagen mit höchsten Grundstückspreisen erheblich vom Mietendeckel profitieren, während gleichzeitig Handwerker/-innen um ihre Aufträge gebracht werden. Dies wird selbst bei einem maximal zulässigen Aufschlag von 1,74 €/m2  (0,74 €/m2  für gute WL und 1,00 €/m2  für gute Ausstattung) der Fall sein.

Erreichung der Klimaziele in Gefahr!

Die Erreichung der Klimaziele Berlins, 60 % CO2-Einsparung bis 2030, ist weiterhin sehr gefährdet. Der Mietendeckel macht speziell auch energetische Modernisierungsmaßnahmen unattraktiv. Das politische Ziel ist eigentlich die Energiewende, hierzu müssten jährlich rund 2 % des Gebäudebestands energetisch saniert werden.

Neues Bürokratiemonster wird geschaffen!

Auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die Bezirke und die IBB wird eine Flut von Begehren und Anträgen durch Mieter/innen sowie von Härtefallanträgen der Vermieter /innen zukommen. Bereits heute sind die öffentlichen Verwaltungen aufgrund akuten Personalmangels stark überfordert.

Statt in solche Antragsprüfungen sollten die verfügbaren Ressourcen eher für Personalaufstockungen im Bereich der Bauabteilungen eingesetzt werden.
Dies würde auch Genehmigungsverfahren beschleunigen und die Bautätigkeit in Berlin fördern.

Kein Gesetz zum Mietendeckel, bevor die Rechtslage geklärt ist!

Wesentlich sind in diesem Zusammenhang unverändert zwei Fragen:

  • Liegt die Gesetzgebungskompetenz für einen sogenannten Mietendeckel beim Land Berlin oder nicht eher beim Bund?
  • Kann das Gesetz rückwirkend zum 18. Juni 2019 für gültig erklärt werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nur Eckpunkte der geplanten Rechtsnorm bestanden?

Klagen gegen das Gesetz wurden bereits angekündigt. Bis zur endgültigen Klärung dieser Fragen besteht sowohl für Vermieter/innen als auch Mieter/innen eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die nicht zuletzt auch zu Mietrückforderungen führen kann.

Insgesamt betrachtet, bricht das Konzept des Berliner MietenWoG-Entwurfes mit der bestehenden Systemlogik. Berlin hat seit vielen Jahren einen funktionierenden Mietspiegel, der außer Kraft gesetzt wird.

Abgesehen von den absehbar erheblichen Auftragsrückgängen im Bau- und Ausbauhandwerk ist für den Berliner Wohnungsmarkt zum einen zu befürchten, dass der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen bei Auszug der Mieter/innen Vorschub geleistet wird und damit günstige Mietwohnungen dem Markt entzogen werden.

Zum anderen sind Rückgänge in der Neubautätigkeit zu befürchten. So haben bereits sowohl private Wohnungsbaugesellschaften als auch Genossenschaften angekündigt, geplante Neubauprojekte - trotz Ausnahme des Neubaus vom Mietendeckel - auf den Prüfstand zu stellen. In einigen Fällen wurden Bauvorhaben bereits abgesagt.

Wir sind deshalb der Auffassung:
Kein Mietendeckel, solange nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind!

Prinzipiell geht es darum, schneller und günstiger zu bauen sowie der Spekulation mit Baugrundstücken und Wohnungen entschieden entgegenzuwirken. Aus Sicht der Betriebe des Bau- und Ausbauhandwerks muss Folgendes Vorrang vor einem Mietendeckel haben:

  • Beschleunigung von Antrags- und Genehmigungsverfahren,
  • Baukosten durch weniger Bauauflagen senken,
  • Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung der öffentlichen Bauverwaltung,
  • einheitliches und abgestimmtes Verwaltungshandeln.

Im Sinne einer glaubwürdigen Politik zur Vermeidung sozialer Härten müssen in jedem Fall auch die bestehenden Potenziale der Individualförderung und des sozialen Wohnungsbaus ausgeschöpft werden.

Dass es auch anders geht, beweist die Wirtschaftspolitik Hamburgs. Dort wurden in den vergangenen zwölf Jahren 28.500 Sozialwohnungen geschaffen, im doppelt so großen Berlin waren es dagegen gerade einmal 12.900, also weniger als die Hälfte. Das Rezept der Hansestadt: Im Jahr 2011 schlossen Stadt, Wohnungswirtschaft und Bezirke das „Bündnis Wohnen in Hamburg“ mit dem Ziel, Quartiere stabil zu entwickeln und neue Wohnungen bauen zu können, auch um der Wohnungswirtschaft eine Mietentwicklung zu sichern, mit der sie den Bestand erhalten kann. Im Gegenzug genehmigte die Stadt den Bau von 10.000 Wohnungen pro Jahr im sogenannten Drittelmix: Ein Drittel Neubauten müssen preisgebundene Mietwohnungen sein, ein Drittel sind ohne Preisbindungen und das letzte Drittel dürfen Eigentumswohnungen sein.

Fazit

Die wirksamste und beste Lösungsstrategie – auch hinsichtlich schädlicher Nebenwirkungen für das Berliner Handwerk – besteht in der zügigen Schaffung eines ausreichenden Wohnungsangebots durch Ausweisung von Bauflächen, Baugenehmigungen und durch Wohnungsbau.
Die Politik muss bei der Zielsetzung sozialverträglicher Mieten stets auch die Auswirkungen auf Konjunktur und Beschäftigung im Berliner Handwerk und die Zielerreichung im Bereich der energetischen Sanierung im Auge behalten!

 

Zu den (Neu)Regelungen im Einzelnen:

Artikel 1
Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln)

Zu § 1 Anwendungsbereich

Vermieter, deren Zielsetzung nicht die maximale Gewinnerzielung und Wohnraumspekulation ist – wie z. B. Genossenschaften – unterfallen ebenfalls diesem geplanten Gesetz.

Zu § 2 Zuständigkeit, Aufgaben und Befugnisse

Zuständige Behörden sind die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die Bezirke und die Investitionsbank Berlin (IBB). Der Gesetzentwurf wird bei ohnehin fehlendem Personal in der öffentlichen Verwaltung zu einer weiteren Auswucherung der Bürokratie, der Antrags-und Genehmigungsprozesse führen.

Zu § 3 Mietenstopp

Problematisch ist weiterhin, dass das Gesetz rückwirkend zum Stichtag des Eckpunktepapiers am 20. Juni 2019 gelten soll. Ob dies rechtlich zulässig ist, ist höchstumstritten. Dies führt zu Rechtsunsicherheit.

Mit dem „Einfrieren“ von bereits abgeschlossenen Staffel- und Indexmieten wird zudem in bereits bestehende zivilrechtliche Vertragsverhältnisse eingegriffen.

Insgesamt ist mit einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zu rechnen. Klagen wurden bereits angekündigt.

Zu § 4 Kappung überhöhter Mieten

Im ersten Gesetzentwurf galt eine Miete als überhöht, wenn sie mehr als 30 % des anrechenbaren Gesamteinkommens des Miethaushaltes beträgt. Der Anspruch auf Herabsetzung der Miete sollte neben dem Gesamteinkommen (gem. §§ 20 bis 24 Wohnraumförderungsgesetz) auch an der Wohnfläche* (gem. § 2 Abs. 2 S. 1 des Wohnraumgesetzes Berlin) bemessen werden. Die Berechnung hätte sich überaus kompliziert gestaltet.

Die Neuformulierung des § 4 Abs. 2 stellt ausschließlich auf die Mietobergrenzen gemäß §§ 5 und 6 („Mietentabelle“ und „Miete nach Modernisierung“) sowie die Wohnlage (WL) ab.

Im Fall einer einfachen WL sind 0,28 €/m2 in Abzug zu bringen, bei mittlerer WL 0,09 €/m2 und bei guter WL ist ein maximaler Zuschlag von 0,74 €/m2  auf die Mietobergrenze nach Tabelle zulässig.

Es besteht trotzdem unverändert die Gefahr, dass nicht die Zielgruppe der schwächeren und mittleren Einkommen, sondern vielmehr kapitalkräftigere Mieter in Spitzenlagen und/oder z. B. hochwertigen, denkmalsanierten und repräsentativen Objekten in Top-Lagen finanziell entlastet werden.

Zusätzlich bleibt eine „kalte“ Entwertung zu befürchten, da bei künftig deutlicher Senkung der Mieten auch die Immobilienwerte und deren Beleihungswerte sinken werden.

Zu § 5 Mietentabelle

Die Mietobergrenzen liegen zwischen 3,92 und 9,80 €/m2, je nach Baualtersklasse. Grundlage ist der Mietspiegel 2013, indiziert mit Preis- und Lohnentwicklung.

Neu eingeführt wurde die Möglichkeit der Erhöhung der Mietobergrenze um einen Euro, wenn die betreffende Wohnung mindestens drei von fünf Ausstattungsmerkmalen aufweist.

Folgende fünf Ausstattungsmerkmale sieht das Gesetz vor:

  1. schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Personenaufzug,
  2. Einbauküche,
  3. hochwertige Sanitärausstattung,
  4. hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
  5. Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/ (m2a).

Trotz dieser Möglichkeit die Miete bei besonders guter Ausstattung um maximal einen Euro pro Quadratmeter zu erhöhen, ist zu erwarten, dass Modernisierungsinvestitionen nicht kostendeckend sind und deshalb zurückgefahren werden. Dies führt unweigerlich zu einem erheblichen Auftragseinbruch im Bau- und Ausbauhandwerk.

Zu § 6 Miete nach Modernisierung

Modernisierungskosten bis 1 €/m2  müssen nur beim Bezirksamt angezeigt werden, sofern sie den genannten sieben, im Gesetzentwurf genannten Kriterien zugeordnet werden können.

Die sieben Kriterien im Einzelnen:

  1. aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung,
  2. zur Wärmedämmung der Gebäudehülle, der kellerdecke, der obersten Geschossdecke oder des Daches,
  3. zur Nutzung erneuerbarer Energien,
  4. zur energetischen Fenstererneuerung,
  5. zum Heizungsanlagentausch,
  6. zum Aufzugsanbau oder
  7. zum Abbau von Barrieren durch Schwellenbeseitigung, Türverbreiterung oder  Badumbau

Maßnahmen zur energetischen Sanierung werden beispielsweise - obwohl dies eines der sieben Kriterien ist - wirtschaftlich unattraktiver. Ihre Genehmigung führt überdies zu erhöhtem bürokratischem Aufwand. Gleiches gilt für altersgerechten Umbau und Barrierefreiheit.

Zu § 7 Härtefälle

Zuständig hierfür ist die IBB.

Der Gesetzentwurf definiert einen Ausnahmefall, der faktisch jedoch eine Vielzahl privater Vermieter/innen betrifft: Rund ein Viertel aller Berliner Mietwohnungen gehört Privatpersonen.

Der neue Gesetzentwurf sieht nun eine Bearbeitungsfrist von drei Monaten ab vollständiger Antragstellung vor. Sicherzustellen ist jedoch, dass für die Bearbeitung der Anträge die IBB auch über ausreichend Personal verfügen wird.

Zu Artikel 4
Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Sollte das Gesetz, wie vom Senat beabsichtigt, für fünf Jahre in Kraft treten, halten wir eine baldige Evaluierung der Wirksamkeit – unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Berliner Handwerk – für unabdingbar.