Ausbildungsbegleitung steht Rede und AntwortUnterstützung in der Ausbildung
Seit fast fünf Jahren ist Georg Elfinger bei der Handwerkskammer Berlin als Ausbildungsbegleiter tätig. Seit Januar 2023 unterstützt ihn Anna Vaclavicek. Wir haben uns mit den beiden getroffen, um mehr über das Arbeitsfeld und die konkreten Aktivitäten zu erfahren:
Herr Elfinger, Frau Vaclavicek, bisher kannten wir nur die klassische Ausbildungsberatung, worin besteht denn der Unterschied zwischen den beiden Angeboten?
Die Ausbildungsbegleitung ergänzt und erweitert das Angebot der Ausbildungsberatung. Die Ausbildungsberater*innen haben die hoheitliche Aufgabe, die Ausbildungsberechtigung der Betriebe zu prüfen. Die Kolleg*innen beraten insbesondere zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Ausbildung und bieten Lösungen bei Konfliktsituationen an. Wir haben eine große Schnittmenge und bieten zusammen ein umfassendes Angebot für Ausbilder*innen und Auszubildende an, nach demselben Prinzip: alle Anfragen werden von uns vertraulich behandelt; wir haben die Rahmenbedingungen der Ausbildung im Blick, informieren, beraten und helfen bei der Suche nach Lösungen. Die Ausbildungsbegleitung zielt darauf, Ausbildungsverhältnisse durch individuelle Unterstützung zu stabilisieren. Die Ausbildungsbegleitung gestaltet und organisiert die Azubi Akademie.
Wie kann man sich Ihre Arbeit genau vorstellen?
Gezielt und nachhaltig unterstützen wir auf dem Weg zum Ausbildungsziel, darum geht es uns. Junge Menschen haben während ihrer Ausbildung oft Herausforderungen, die weit über den Ausbildungsalltag hinausgehen. Manche Ausbildungen sind aus „dem Takt“ gekommen und wir helfen mit Gesprächen und Angeboten, dass alles wieder in den richtigen Rhythmus kommt, um es einmal bildlich zu beschreiben. Zu uns kommen aber auch Auszubildende mit Lernschwierigkeiten, sozialen Problemen und zunehmend auch psychischen Belastungen. Ein intensives, vertrauensvolles Gespräch hilft, Klarheit zu schaffen, warum der Azubi z.B. so abwesend wirkt oder wieso der Azubi super im Betrieb mitarbeitet, aber nicht mehr in die Berufsschule gehen will. Wir tauchen mit der Ausbildungsbegleitung tiefer in die Problematik ein. Gemeinsam erarbeiten wir einen individuellen Schritte-Plan und bleiben an der Umsetzung dran. Das heißt, wir besprechen die notwendige und mögliche Unterstützung, wie Nachhilfekurse oder Mentoring. Wir bleiben gerne so lange in Kontakt, bis sich die Situationen verbessert bzw. Hilfsangebote gegriffen haben. Unser Netzwerk ermöglicht uns, schnell weitere individuelle Hilfen zu organisieren. Das ist also viel mehr, als jemanden nur einen Flyer auf den Tisch zu legen.
Ist das in Berlin eine Besonderheit oder gibt es so eine Stelle auch in anderen Handwerkkammern?
Diese zusätzlichen Angebote im Rahmen der Bildungsberatung sind schon etwas sehr Besonderes.
Sie, Frau Vaclavicek, als Konditormeisterin und Sie, Herr Elfinger, als Bäckermeister, kommen aus dem Handwerk, was sicherlich von Vorteil ist, um im Handwerk authentisch auftreten zu können. Haben Sie darüber hinaus noch zusätzliche Qualifikationen erworben, die Sie für diese Tätigkeit besonders auszeichnen?
Wir nehmen jedes Jahr an mehreren Fortbildungen teil, ergänzen somit unsere Fähigkeiten in der individuellen Beratung der jungen Menschen und der Ausbildungsbetriebe. Unsere größte Stärke haben Sie aber schon angesprochen: Wir sind beide im Handwerk groß geworden, sind Meister*innen geworden und haben Betriebe geführt. Wir können den Handwerksalltag nachvollziehen und Ausbilder*innen und Auszubildende authentisch beraten. Dabei ist nicht immer nur der Auszubildende das „Problem“. Durch den wirtschaftlichen Druck, passiert es schnell, dass die Qualität der Ausbildung leidet. Es hat sich auch schon zu unserer Ausbildungszeit nicht gut angefühlt, wenn man nur als Helfer*in eingesetzt wird. Zeit dafür, Neues in der Ausbildung zu vermitteln, ist wichtig. So wird die Motivation der Azubis gehalten. Herausforderungen, Kommunikation und Wertschätzung sind der Schlüssel - heute mehr denn je. Wichtig ist der direkte und regelmäßige Austausch mit dem Azubi. Idealerweise, wenn man gemeinsam über dem Berichtsheft sitzt. Wir raten jedem Ausbildungsbetrieb, die eigenen Ausbildungsbedingungen immer wieder bewusst zu betrachten. Handeln und praktikable Lösungen finden − darin ist das Handwerk stark!
Sie sagten, Sie sind Ansprechpartner*innen für Betriebe, für Auszubildende, aber auch für Schulen. Wo liegt der Schwerpunkt in der Verteilung?
Unsere Kernaufgabe ist die Unterstützung der Auszubildenden und Ausbildungsbetriebe. Der Austausch mit den Berufsschulen ist uns wichtig, damit wir die individuelle Lernkurve nachvollziehen können. Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen können und sollen sich gerne an uns wenden. Wir sehen die Herausforderungen vieler Azubis beim Lernen. In Wirtschafts- und Sozialkunde bieten wir gezielte Prüfungsvorbereitung oder thematisch passende Mathe-Crashkurse an. Uns ist wichtig, dass dieses Angebot breitflächig bekannt ist. Der direkte Kontakt ist wichtig, damit wir und unsere Angebote wahrgenommen werden.
Sind sie schon soweit etabliert, dass Auszubildende von sich aus auf Sie zukommen?
Ja, es kommen immer mehr Azubis zu uns, und das freiwillig. Die Eigenmotivation, die Ausbildung schaffen zu wollen, ist nicht zu unterschätzen. Sehr gut funktioniert der Kontakt für Azubis über WhatsApp. Es gibt den jungen Menschen Sicherheit, einen schnellen Draht und vertrauten Kontakt im Smartphone zu wissen. Es braucht Zeit, Ausdauer und Geduld, um sich aus einer schwierigen Situation heraus zu manövrieren. Oft sind die Situationen komplex und sind nicht mit einem einmaligen guten Ratschlag zu lösen. Nicht zu vergessen: Wir erhalten auch viele Anfragen von Betrieben, die konkrete Bedarfe erkannt haben oder eben noch nicht ganz klar wissen, warum es nicht gut läuft.
Eine letzte Frage, hatten Sie ein besonderes Highlight in Ihrer bisherigen Tätigkeit?
Für uns ist es immer wieder ein Highlight, wenn sich Konflikte lösen lassen, wenn Azubis sich melden, dass sie ihre Prüfungen erfolgreich gemeistert haben. „Ohne Euch hätte ich das nicht geschafft!“– diese Rückmeldung ist schon eine tolle Anerkennung für unsere Arbeit. Ein weiteres großes Highlight für uns ist, wie selbstverständlich Handwerksbetriebe an ihren Auszubildenden festhalten und Energie investieren, wenn Herausforderungen auftreten. Es macht uns besonders stolz, zu sehen, wie verbindlich das Handwerk ist und dass so ein großer familiärer Zusammenhalt herrscht. Umso wichtiger ist es, dass sich Azubis und Ausbilder*innen rechtzeitig bei uns melden, wenn es „nicht so läuft“.
Das Interview führte Beate Bliedtner.
Herausforderungen, Kommunikation und Wertschätzung sind der Schlüssel - heute mehr denn je.
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